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Vernisagen:
 11.Juli 2004
 29.April 2004


Ausstellungen:
 von Oktober bis
 November 2005

 von Juli bis
 September 2004

 von Mai bis
 Juni 2004


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wie Hedy an Krebs starb

Vorwort, vom 06.01.09

Historie: 18.07.11 (Bereinigung Rechtschreibfehler), 22.05.08, 20.05.08, 19.05.08

Ich starte hiermit einen Versuch, um zu verstehen, zu begreifen oder einfach nur nochmals zu rekapitulieren wie die tödliche Krankheit meiner Mutter verlief.

Meine Frau brachte aus der öffentlichen Bibliothek einige Literatur mit, unter anderem auch einen Comic von Brian Fies, dessen Mutter an Lungenkrebs erkrankte und der während des Krankheitsverlaufs die wichtigsten Ereignisse bildhaft der Nachwelt hinterlassen hat.
Dieses Comic habe ich am Wochenende (19.05.08) gelesen.
Wen es interessiert: Brian Fies, Mutter hat Krebs, Knesebeck-Verlag, ISBN: 978-3-89660-356-2
Die Geschichte hat mich sehr berührt und zeigt sehr viele Parallelen mit meinen Erfahrungen.

Meine Erinnerungen hier sollen eine Aufarbeitung sein, in erster Linie, um mich selbst damit auseinander zu setzen.
Vielleicht hilft es mir auch leichter darüber hinweg zu kommen.
Ich werde viele, auch sehr persönliche, Erlebnisse beschreiben und hoffe, den Lesern eine andere Seite einer solchen Krankheit zeigen zu können.
Wenn Sie nicht die Kraft haben, das hier zu lesen, dann schließen Sie bitte jetzt diese Seite.

Hedy starb an Krebs am 26. Januar 2007.

Oktober 2004:

Mutter hat sich entschlossen, das Grundstück, dass sie von Ihrem Vater, also meinem Opa übertragen bekam, zu verkaufen. Nicht, dass es einen Grund dafür gab, denn das Grundstück gehörte ihr schon 25 Jahre.
Geldsorgen konnten es auch nicht gewesen sein.
Sie wollte es einfach und bat mich, das Grundstück zum Verkauf vorzubereiten, die Ausschreibungen und Verhandlungen mit Interessenten durchzuführen.

November oder Dezember 2004:

Wir sitzen im Wohnzimmer. Mutter beklagt sich beiläufig, dass ihr der Bauch wehtun würde. Schon eine Weile. Sie wolle Anfang nächsten Jahres mal zum Arzt gehen.

Frühjahr 2005:

Sie geht zum Hausarzt, der sie aber dann zur Frauenärztin überweist.
Es folgen diverse Untersuchungen, mit dem Befund, dass da was an die Eierstöcken sein könnte.

14. Juni 2005:

Der Verkauf des Grundstücks wird fast besiegelt.
Da noch was geklärt werden musste, sollte es noch einen weiteren Termin geben, an dem dann nochmal alle erscheinen sollten. Da zu diesem Zeitpunkt schon der OP-Termin feststand, wurden Vollmachten erteilt.

28. Juni 2005:

Mutter checkt ins Luisenhospital ein. Es folgen Vorbereitungen für die Entfernung der Eierstöcke und den daran befindlichen Krebs.
Ich besuche sie und bringe ihr ein kleines Stofftier, welches über sie wachen soll - naiv, aber mir hat es echt geholfen.
Diesen Besuch werde ich nie vergessen: es war vom Gefühl her so, wie ein Abschiedsbesuch für immer.
Im Krankenhaus liegen diverse Faltblätter und Informationen zu diversen Krebsarten, auch welche zum Oval-Karzinom. Ich nehme sie mit und lese sie durch.
Die Literatur schockt mich. Die wichtigsten Informationen komprimiert:

  • Das Oval-Karzinom ist eines der schlimmsten Krebsarten.
  • Streut sehr stark Metastasen.
  • Überlebenswahrscheinlichkeit nach 1,5 bis 2 Jahren geringer als 25%.

An diesem Tag ist für mich meine Mutter zum ersten Mal gestorben - vom Gefühl her. Das wird Ihr Ende sein!

29. Juni 2005:

Mutter wird heute operiert.
Ich mache mir ein hübsches Bild von ihr von einer Vernissage auf den Bildschirmhintergrund, um an sie während der Krankenhauszeit zu denken. Es hätte auch ohne Bild funktioniert.

30. Juni 2005:

Die OP verlief, was den technisch operativen Verlauf anging, gut.
Mutter wünscht sich während ihres weiteren Krankenhausaufenthaltes, dass wir davon nichts ihrem Ex-Mann sagen sollen. Auch ohne diesen Hinweis wäre ich nicht auf die Idee gekommen, ihm das zu erzählen.
Wenn Mutter wieder zu Hause sein wird, hat meine Schwester nichts besseres zu tun, als es ihm zu sagen.
Angeblich, weil er sie unter Druck gesetzt hat. Das wäre dann wieder typisch für den Ex-Mann gewesen.

4. Juli 2005:

Meine Schwester und ich baten die Ärzte vor dem Gespräch mit Mutter, mit uns allein zu sprechen.
Ziel war es, alle Informationen zu bekommen und dann gefiltert weiter zugeben.
Die Idee ist völlig nach hinten losgegangen, da 1. Mutter diese Aktion falsch verstanden hat und dachte, wir würden ganz schlimme Dinge hinter ihrem Rücken besprechen und 2. haben dann die Ärzte der Mutter das gleiche gesagt wie uns.
Das was sie sagten hatte es aber auch in sich:
Bei der OP haben die keine nennenswerten Wucherungen an den Eierstöcken gefunden. Allerdings mussten sie eine "größere Platte" Krebsgewebe aus dem Bauchraum entfernen. Weiterhin hätten sie noch am "Darmgehänge", das sind Verbindungssehnen, die den Darm sortiert halten, einige Metastasen gefunden, die aufgrund der Vielzahl und der Nähe zum Darm nicht operabel sind.
Da war mir klar, das Mutter nicht zu den 25% gehört.
Zur genauen Diagnose wurden zwei Proben zur Analyse eingeschickt.

10. Juli 2005:

Meine Mutter bekommt einen Port unter die Haut am rechten Schlüsselbein eingesetzt.
Ein Port ist ein kleines Ventil mit einer Schlauchverbindung in die Blutbahn. Es wird benötigt, um Infusionen und Chemo-Cocktails in den Körper einbringen zu können.
Ein direktes einbringen über eine Vene im z.B. Arm, würde durch die Substanzen der Chemotherapie das Gewebe nachhaltig zerstören, was bei einem Port ausgeschlossen ist.
Auch das Einbringen eines Ports ist eine kleine Operation mit Teil- bzw. Vollnarkose.

Mitte Juli 2005:

Die erste Chemotherapie naht. Gerade Frauen wird angeraten, sich schon vor der ersten Chemotherapie eine Perücke anfertigen zu lassen. Das hat sie auch so machen lassen. Dazu mussten ihr Haare komplett abrasiert werden.
Mir gegenüber hat sie sich die ganzen Zeit bis kurz vor Ihrem Tod nicht ohne offenbart. Es war ihr wahrscheinlich peinlich.
Eine Chemotherapie zerstört aktive Zellen. Das sind in erster Linie Krebszellen, aber auch Haarwurzel- und Fingernägel-Zellen. Nicht nur das, sondern zu alledem wird auch noch das Immunsystem geschwächt und den Familienmitgliedern wird geraten, Abstand zu halten, um Erkältungen usw. fernzuhalten.
Es ist schmerzlich zu wissen, dass man seine eigene Mutter nun nicht mehr bis kurz vor Ihrem Tod in die Arme nehmen kann.

Ende Juli 2005:

Die erste von 6 Chemotherapien erfolgt.
Wenn man sich mit Chemotherapien beschäftig liest man folgendes:

  • Schmerzen in den Fingern und Füßen
  • ständige Müdigkeit tritt aufgrund der geringen Anzahl an roten Blutkörperchen ein
  • Verwirrtheit und Teilnahmslosigkeit
  • Seleneinnahme verbessert (allerdings unbestätigt) das Allgemeinbefinden
  • Rote Säfte (Rote Beete, Möhrensaft) fördern den Wiederaufbau der roten Blutkörperchen

Obwohl es nur bei einigen Patienten zu den Nebenwirkungen kommen kann, hatte Mutter alles von dem.
Die Chemotherapie-Sitzungen gingen immer im 3-Wochen Rhythmus.
Ob eine Chemotherapie-Sitzung überhaupt stattfinden kann, hängt von den Blutwerten ab, die am Sitzungstermin überprüft wurden.
Erst wenn ein bestimmter Blutwert wieder geringer war, konnte die Behandlung erfolgen.
Das heißt Donnerstags den Chemotherapie-Cocktail, bis Sonntag Mittag ging es noch, dann kamen für eine Woche Schmerzen und Verwirrtheit, dann wurde es kontinuierlich besser bis zur nächsten Sitzung.
Das war kein Spaß - für alle Beteiligten nicht!
Im Wesentlichen begleitete einen Großcousine und eine Freundin meine Mutter zu den Chemotherapie-Sitzungen. Ich weiß nicht, ob ich mich jemals bei Ihnen dafür bedankt habe. Wenn nicht, dann möchte ich es jetzt hier nachholen. Danke!
So eine Chemotherapie-Sitzung dauert mehrere Stunden.

August - Dezember 2005:

Die Chemotherapie zeigt ihre Nebenwirkungen.
Je nachdem ist meine Mutter sehr müde und schläft einfach ein und wacht erst mitten in der Nacht wieder auf.
Das Stechen in den Fingern tut anscheinend so weh, dass sie dann auch am liebsten alleine mit sich ist.

Dezember 2005:

Die Chemotherapie endet endlich. Es steht nun eine Kur an.
Was diese Kur bezwecken sollte, habe ich nicht verstanden, zumal die Kur genau auf Weihnachten fiel.
Aus diesem Grund wollte sie auch ursprünglich nicht in Kur fahren, was aber dann Ärger mit der Krankenkasse bedeutet hätte.
Wir versprachen ihr, an Heilig Abend in den Kurort zu reisen und dort mit ihr zu Abend zu essen. Es war ein netter Tag und Abend.

Ende Januar 2006:

Die Nachuntersuchung steht an. Der Onkologe bespricht mit ihr das Untersuchungsergebnis. Mutter versteht aber seine Aussagen nicht. So geht sie zur Frauenärztin, die ihr das Ergebnis in ihre Sprache übersetzt.
Meine Mutter hört nur, was sie hören wollte: das alles weg ist und sie geheilt sei.
Als sie mir diese Botschaft sichtlich erfreut mitteilte, freute ich mich natürlich mit ihr, verstand jedoch die Welt nicht mehr.

Anfang Mai 2006:

Die zweite Nachuntersuchung stand an. Auf einem Schlag ist der Krebs-Marker auf einen 5-stelligen Wert gestiegen, was eine erhöhte Krebsaktivität darstellt.
Für Mutter war das ein gewaltiger Schock, der unter Tränen und nur mit viel Zuspruch bewältigt werden konnte.

12. und 13. Mai 2006:

Meine Frau und ich heiraten heute.
Mutter ist gut drauf. Am Standesamt habe ich sie persönlich entgegen genommen und sie in meinem Schutze der neuen Frau ihres Ex-Mannes vorgestellt. Irgendwann musste das ja auch passieren.
Viel später, schon fast am Sterbebett, hat sie sich für genau diese Situation bei mir bedankt.
Auch auf der Hochzeitsparty war Mutter gut drauf. So konnte ich auch mit ihr tanzen.

9. Juni 2006:

Die zweite Chemotherapie beginnt: Mittel Docelarel und Carboplatin.
Laut dem mir vorliegenden Therapieausweis wurden im Zeitraum vom 9.6.2006 bis zum 29.12.2006 18 Blutabnahmen und 8 Chemotherapie-Sitzungen durchgeführt.

7. bis 10. Oktober 2006:

Mutter, meine Frau und ich fahren für ein verlängertes Wochenende nach Ostende. Kurz vor der nächsten Chemotherapie-Sitzung.
Das Wetter war für den Herbst noch sehr schön, sogar mit Sonne.
Und wir hatten alle gute Laune, weil wir uns auf diesen Kurzurlaub gefreut haben.
Trotzdem war es ein schreckliches Wochenende für mich - zu wissen, dass es sehr wahrscheinlich das letzte mal sein wird, wo sie das Meer sehen wird. Ich unternehme alles, um dieses Gefühl nicht nach außen dringen zu lassen.

Ende Oktober 2006:

Mutter fährt mit Freundinnen nach Unkel zu einem Aquarellkurs. Darauf hatte sie sich auch schon lange gefreut und immer gehofft, dass es dann gerade mit der Chemotherapie passt.
In Unkel wird ihr Bauch immer dicker. Der örtliche Apotheker traut sich aufgrund der Krankheitsgeschichte nicht irgend was zu geben.
Sie harrt die Schmerzen aus und geht in Aachen sofort zum Onkologen.
Dieser stellt eine heftige Wasserbildung in der Bauchhöhle fest, die er sogleich ablässt. Mehrere Liter Flüssigkeit drückten auf die Organe und das Gewebe.

Anfang November 2006:

Sie muss nun alle 3 bis 4 Tage zur Onkologie, um das Wasser aus dem Bauchraum entfernen lassen. Im Übrigen ist dies eine schmerzhafte Behandlung und nicht ganz ungefährlich, da innere Organe dabei beschädigt werden können.
Aufgrund der schlechten Therapieerfolge und der immer heftiger werdenden Chemotherapie-Cocktails mit daraus folgenden noch heftigeren Nebenwirkung, sagt sie dem Arzt, dass sie keine Chemotherapie mehr bekommen möchte.
In Erinnerung habe ich noch, dass der Arzt meiner Mutter zu dieser Entscheidung gratulierte. Er könne diese Entscheidung nicht treffen. Ich denke, dass hier Ethik und hippokratischer Eid aufeinander treffen.

Mitte November 2006:

Sie kann nur noch wenig selbst machen und benötigt jemanden, der ihr beim Aufstehen, waschen und Essen machen hilft.

4. Dezember 2006:

Wieder eine Chemotherapie-Sitzung diesmal wird zusätzlich Topotexan verabreicht.

6. bis 10. Dezember 2006:

Meine Frau und ich fahren für ein verlängertes Wochenende nach Berlin.
Als wir zurückkommen, liegt Mutter wieder im Krankenhaus.
Wir erfahren, dass sie im Badezimmer bewusstlos zusammengebrochen und sehr ungünstig gefallen ist.
Erst ein paar Stunden später wachte sie auf und rief meine Schwester an, die sie dann ins Krankenhaus fuhr.
Ob dieser Zusammenbruch mit der Änderung des Chemotherapie-Cocktails vom 4. Dezember zu tun hat?

11. Dezember 2006:

Ich fahre sie im Krankenhaus besuchen.
Sie wurde am Kopf geröntgt, weil sie damit wohl auf die Toilette oder Badewanne aufgeschlagen war.
Sie sieht schrecklich aus. Überall blaue Flecken. Wahrscheinlich tut es mir mehr weh als ihr.
Wir sitzen uns an einem kleinen Tisch in ihrem Zimmer gegenüber und reden, als sie mich fragt:
"Jürgen, ist das jetzt das Ende?"
Also, ich bin eigentlich schlagfertig, habe auch immer eine Antwort parat - eigentlich auch in diesem Fall - nur konnte ich ihre Frage nicht beantworten!
Ob es an diesem Tag war, weiß ich nicht mehr genau, aber in dieser Zeit muß es gewesen sein, als sie sagte, dass sie sich die Krebs-OP auch ganz anders vorgestellt hat:
das man einfach das Krebsgeschwür raus operiert, verheilen lässt und dann ist wieder alles gut.

Mitte Dezember 2006:

Sie wird wieder nach Hause entlassen.
Nur auf unser drängen bekommt sie ein Notrufsystem installiert.
Auch wurde ein Pflegedienst ab jetzt in Anspruch genommen.
Gegen eine Dehydrierung hing sie nun am Tropf.

Heilig Abend 2006:

Vor einigen Wochen hatten meine Frau und ich, meine Mutter und meine Schwester gefragt, ob sie bei uns den Abend verbringen möchten.
Meine Schwester konnte oder wollte sich nicht entscheiden, auch weil sie keine Lust hatte mit Mutter diesen Abend auch noch zu verbringen. Das hört sich jetzt hart an, es war aber auch so, dass Mutter aufgrund ihrer Krankheit nicht mehr über alles klar denken konnte.
Sie war schon teilweise recht verwirrt. Da mal eine Auszeit zu haben zu wollen, empfand ich nicht verwerflich.
Mutter hatte zu anfangs zugesagt, dann aber kurzfristig abgesagt, weil sie kein Appetit und keine Lust für Unternehmungen hatte.
So verbrachten wir den Abend nur mit den Schwiegereltern.

Erster Weihnachtstag 2006:

Wir besuchen Mutter, um zu reden und zu schauen ob sie was braucht.
Haben dafür leider auch nur eine Stunde Zeit, weil ihr Ex-Mann uns abholen kommt.
Ihr Ex-Mann hatte Mutter, Schwester und uns überredet gemeinsam an diesem Tage Essen zu gehen. Verwunderlich war, dass doch alle diesem Treffen zugesagt haben.
Als dann Mutter auch dieses Treffen absagte, war mir schnell klar, dass meine Schwester auch nicht dabei sein wird.
Es kam dann noch zu einem heftigen Eklat, als der Ex-Mann dann noch eine dreiviertel Stunde vor der verabredeten Uhrzeit bei Mutter aufschlug und sich dort breit machte.
Aber warum? Warum tat er das und warum lies Mutter das zu? Gerade wo meine Frau und ich erst vor 15 min. gekommen waren.
Was vielleicht für den unbeteiligten Leser zur Verwunderung beiträgt, war es so, dass meine Mutter in meiner Gegenwart immer geäußert hat, dass der Ex-Mann sie wieder belästigt hat, wieder aufgeschlagen ist und das sie das nicht mehr wolle und von ihm in Ruhe gelassen werden wollte.
Dieser Widerspruch ist mit bis heute ein Rätzel.

Zweiter Weihnachtstag 2006:

Mutter und meine Schwester machen einen Ausflug in die Eifel. Mutter möchte nach Vennwegen. Ihr Ziel Haus Maria im Tann.
Gerade angekommen machte sich Mutter auf dem Weg zu den Nonnen im Heim und fragt nach freien Plätzen.
Es gab einige freie Zimmer und so stand fest, das Mutter ab dem 1. Januar dort hinzieht - betreutes Wohnen.
Es ist für mich bis heute nicht klar wie, warum und weshalb die Entscheidung so fiel.

zwischen Weihnachten und Neujahr 2006:

Meine Mutter setzt mich von ihrer Entscheidung, nach Maria im Tann umzuziehen, in Kenntnis. Ich aktzeptiere es, äußere aber meine Kritik zu diesem Vorhaben. Meine Schwester ist gegen den Umzug.
Zu diesem Zeitpunkt hatte ich das Gefühl, es könnte noch Monate dauern bis sie sterben wird.
Sie saß wie immer auf ihrer Couch und war auch ziemlich klar im Kopf.

1. Januar 2007:

Meine Schwester und ich fahren ein paar Sachen nach Vennwegen zum Heim und richten das Zimmer soweit ein.
Später holen wir Mutter ab.

11. Januar 2007:

Mutter blutet aus dem Hals. Ihr geht es Zunehmens schlechter.
Sie ist auch nicht mehr gut ansprechbar.

Mitte Januar 2007:

Es ging im Altenheim nicht mehr so weiter. Die Pfleger waren keine Ärzte und was sie nun brauchte waren solche Pflegekräfte, die auch Medikamente und Schmerzmittel verschreiben konnten.
Sie wurde auch immer schwächer, saß nur noch da und redete manchmal Unsinn.
Auch alleine auf Toilette gehen ging nicht mehr. Da brauchte Sie auch schon eine Stütze.
Ich probierte noch einige Freunde und Bekannte ausfindig zu machen und sie zu bitten, meine Mutter zu besuchen.
Viele taten mir den Gefallen, aber vor allem meiner Mutter zu liebe.
Als dann ihr Ex-Mann sie auch noch telefonisch dadurch belästigte, das er unbedingt jetzt wissen müsste wo das Grundschuldschreiben vom Haus ist, nimmt meine Frau meiner verwirrten Mutter das Telefon aus der Hand und sagte ihm, das er sie in Ruhe lassen soll.
Mit diesem Telefonat habe auch ich meine seit Jahren hart durch gehaltene Neutralität aufgegeben und von da an meine Mutter geschützt.

22. Januar 2007:

Mutter wurde aufgrund der Probleme ins Krankenhaus Würselen eingewiesen.
Auf die dortige Paliativstation - eine Station zum Sterben.
Ab hier haben wir dann Mutter von allen anderen Kontakten abgeschirmt.

23. Januar 2007:

Habe Mutter besucht. Sie liegt dort mit einer weiteren Frau auf einem Zimmer, die immer wieder das gleiche erzählt.
Mutter ging es ganz schlecht. Ihre Perücke hatte sie nicht mehr auf. Trinkt nicht mehr viel und ißt auch wenig.
Ich fragte die Schwestern, ob ich was machen könnte. Ich solle Ihr die Flüssigkeit in dem Becher zureichen. Das habe ich mit gutem Zureden geschafft.
Später kam noch ein Nachtisch. Ich habe sie gefüttert - noch nie habe ich meine Mutter gefüttert! Es war so ein komisches Gefühl, auf der einen Seite schmerzte es in mir sie so dort liegen zu sehen, auf der anderen Seite die Möglichkeit zu haben, etwas zurück zu geben.
Da mir zu diesem Zeitpunkt klar wurde, dass sie hier nicht mehr lebend rauskommen wird, war es mir egal, ob ich ich sie jetzt noch mit was anstecken würde.
Ich konnte sie ruhigen Gewissen endlich nochmal anfassen und streicheln.
Später kam meine Schwester hinzu. Dann kam auch noch der Chefarzt zu einer Visite vorbei und sagte, dass sie nun erst einmal die beiden Morphium-Pflaster abgemacht hätten, damit sie wieder was ansprechbarer wird.
In diesem Moment habe ich den Eindruck, ich hätte was verpasst: 2 Pflaster ab? Damit sie wieder ansprechbarer wird?
Von einem wusste ich, aber zwei waren neu. Und ansprechbar? Ich hatte mehr als nur den Eindruck, als ob der Arzt im falschen Film sei.

24. Januar 2007:

An diesen Tag war meine Schwester da und fand meine Mutter mit voll geblutetem Kopfkissen und kaum ansprechbar vor.
Die herbei gerufenen Ärzte machten das, was die immer machen: Diagnostik. Ob der Patient es noch will oder nicht.
Ein Glück haben wir eine Patientenverfügung und meine Schwester kann Schlimmstes verhindern.

25. Januar 2007:

An diesen Tag waren wir alle da: meine Schwester, meine Frau und ich.
Mutter liegt nur noch so da rum. Wacht kurz auf und stöhnt vor Schmerz, dann döst sie wieder ein. Ansprechbar ist sie nicht.
Als ich kurz auf Toilette war, fragt sie meine Frau, wo ich denn sei. Mehr war nicht drin.
Sie muss trotz der Morphiumspritzen sehr viele Schmerzen haben. So war der ganze Bauchbereich trotz der Betäubungsmittel sehr sensitiv, bei nur leichten Berührungen. Meine Schwester will die ganze Nacht noch bleiben - hat so eine Vorahnung.
Wir gingen - zum letzten Mal.

Bild vom Urnen-Begräbnis
Unre in der Steele

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